Der Maler mit dem Goldfisch

Die Armin befreite sich von der jungen Frau und setzte seinen Weg fort. Die Galerie hatte drei Ausstellungsräume und einen breiten Flur, in dem ebenfalls Gemälde präsentiert wurden. Armins Bilder hingen im hintersten Raum, mittlerweile dicht nebeneinander und ohne Rücksicht darauf, dass weder die Motive, noch Stil und Farben der einzelnen Werke zueinander passten. Armin schritt den Flur entlang und hielt seinen kleinen Freund fest, aber doch lässig auf Hüfthöhe vor sich. 
Eva verharrte einen Moment reglos, doch ihr Gehirn arbeitete auf Hochtouren. Schon längst suchte sie nach einer Chance, durch eine außergewöhnliche Reportage tiefer in die Wiener Kunstszene einzutauchen. Ihre letzten Arbeiten hatten ganz andere Themen behandelt. Sie hatte über die Sprengung einer stillgelegten Zementfabrik, die eigentlich unter Denkmalschutz hätte gestellt werden sollen, berichtet und über einen Männersynchronschwimmverein mit prominenten Mitgliedern, der sich in der Sportszene positionieren wollte. Sie selbst hatte die Themen für sehr originell gehalten und sich mächtig ins Zeug gelegt, um gute Beiträge abzuliefern. Der Programmchef war allerdings skeptisch, und das Fernsehpublikum schließlich gnadenlos gewesen, zumindest wenn man den Umfragewerten Glauben schenkte. Doch nun witterte sie eine Chance, wie sie sie bisher noch nicht bekommen hatte: Ein erfolgreicher Maler, der aussieht wie ein Dressman, der einen eleganten Anzug mit augenzwinkernder Lässigkeit trägt, der selten aus dem Haus geht, und wenn, dann in Begleitung seines Goldfisches. Meine Güte, seines Goldfisches! Die Gelegenheit war einmalig, ebenso einmalig wie der ganze Künstler. Sie ließ Daniela Voss stehen und stolperte Armin hinterher. 
»Herr Brucker-Auer, bitte! Geben Sie mir ein Interview? Ich meine, geben Sie überhaupt Interviews?« 
Sie schenkte ihm ihr gewinnendstes Lächeln und spürte abermals, wie sie rot wurde. Langsam drehte Armin sich um. Seine Lider senkten sich ein wenig und er schien schon mit den Augen zu lächeln, bevor sich seine Mundwinkel langsam hoben. Armin hatte diesen Blick vor Jahren vor dem Spiegel geübt, weil seine damalige Freundin ihm ständig von Robert Redford in seiner Rolle als Pferdeflüsterer vorgeschwärmt und gemeint hatte, dass Armin Robert Redford ein wenig ähnlich sehe. Eva musste schlucken. 
»Mike, Willi, kommt mal her! Bringt alles hier rüber. Ich habe hier unseren ersten Interviewpartner!« 
Vorsichtig sah sie zu Armin hoch, der ganz leicht nickte und sein Kinn dabei ein klein wenig vorschob. Kaum merklich zwinkerte er mit einem Auge. Die Hand, die den mit einem Liter Wasser und einem Fisch gefüllten Krug hielt, zitterte kein bisschen, stellte Eva fest, und wies den Kameramann an, die erste Einstellung Edgar zu widmen. 
»Armin Brucker-Auer, der bekannte … der Maler mit dem Goldfisch«, stieß sie schließlich hervor. 
Stolz über diese Formulierung blitzten ihre Augen. Dem Maler schien sie ebenfalls zu gefallen.


Der mäßig erfolgreiche Maler Armin Brucker-Auer wird durch Zufall als »Maler mit dem Goldfisch« berühmt und zum Star der Wiener Kunstszene. Er genießt Frauen, Ruhm und Wohlstand, bis die Ermordung seiner Galeristin seine heile Welt zerstört. Plötzlich heften sich Unbekannte an seine Fersen und zu allem Überfluss wird er von der Polizei verdächtigt, an dem Mord schuldig zu sein. Doch Armin dreht den Spieß um und wird vom Gejagten zum Jäger. Ohne es zu ahnen ist er schon längst ins Visier des organisierten Kunsthandels geraten.

Der Maler mit dem Goldfisch
Kriminalroman von Rainer Siegel

Taschenbuch, 259 Seiten, € 12,90 (A)
ISBN 978-3-99074138-2


Der Maler mit dem Goldfisch  ist auch als e-book erhältlich

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