Die Spur der Parasitin

Die beiden Frauen traten durch das Hauptportal und schritten direkt zur Kinder- und Jugendbuchabteilung im dritten Obergeschoss. Die Treppe, die hier herführte, teilte die Räumlichkeiten in zwei Bereiche. Nach der letzten Stufe standen sie auf einer kleinen freien Fläche, wo sich dahinter bequeme gepolsterte Sitzmöbel befanden. Auf der rechten Seite waren Tische mit Kopfhörern und die Regale mit den Hörbüchern aufgestellt. Sie bogen links ein. Dort fand Veronika das gesuchte Regal.Sie inhalierte den Geruch der vielen Bücher rund um sich und blickte auf die Kinder unterschiedlichsten Alters, die die Möglichkeiten der Bibliothek nutzten. Allen Unkenrufen zum Trotz interessierten die Burschen und Mädchen sich auch heute noch für Literatur. Ein etwa zehnjähriger Bub lümmelte in einem der gepolsterten Sessel, las ein Buch und wurde eins mit der Sitzgelegenheit und seiner Lektüre, fernab der Realität. Auf der gegenüberliegenden Seite saßen zwei Jugendliche mit Kopfhörern. Das Mädchen blickte verträumt in die Ferne, vielleicht war sie bei Robert Pattinson im Zwielicht. Im Gegensatz zu dem Teenager, der zwei Sitze weiter rechts gelangweilt einer Fliege zusah, die auf dem Tisch auf und ab spazierte.Er erinnerte sie an Wolfgang, Veronikas jungen Cousin, der prinzipiell einen Tag vor der Deutschschularbeit die Schullektüre mittels Zusammenfassung oder Hörbuch erlernte. Veronika riss sich los und wandte sich wieder dem Bücherregal zu. Nach kurzem Suchen fischte sie zielsicher ein Buch heraus. Das Rascheln der Seiten beim Umblättern, hin und wieder ein leises Gemurmel,die vielen tausend Bücher rundherum bildeten eine Atmosphäre des Wohlbefindens. Veronika atmete tief ein, sog die beruhigende Umgebung in sich ein und schlug das Buch auf. Um die Zeit totzuschlagen, hatte Elisabeth sich in der Zwischenzeit ein Buch gegriffen und blätterte darin.
Schreckensschreie und Stiefelgetrampel zerrissen die Idylle. Verstört suchte Veronika nach dem Verursacher, bis sie ihn schließlich entdeckte. Starr vor Entsetzen trafen ihre Augen auf einen vermummten Mann mit einer Schusswaffe in der Hand, der geradewegs die Stiege zum Obergeschoss hinauflief. Fassungslos fixierte Veronika die Gestalt, die soeben die freie Fläche am Ende der Treppe erreicht hatte. Der Mann blickte sich um und feuerte dann gezielte Schüsse auf die Besucher der Bibliothek. Veronika schien, als würde ein Film in Zeitlupe abgespielt. Regungslos stand sie da. Schüsse fielen, Schreie zerfetzten die Luft, Bücher knallten zu Boden, und irgendwer schrie: »Runter, runter!« Der Bursche wollte sich gerade aus seinem Sofa erheben, als eine Kugel seinen Bauch traf und er zurück auf die Couch sank. Die beiden Teenager mit den Kopfhörern erfassten erst jetzt die Unruhe, doch noch bevor sie reagieren konnten, hatte der Täter sich ihnen zugewandt. Eins, zwei, drei, viermal trafen die Geschosse, bis der letzte Rest Leben aus den großen Kinderaugen erloschen war.

Gut gelaunt besuchen die beiden Freundinnen Veronika und Elisabeth die Hauptanstalt der Wiener Büchereien. Da stürmt ein bewaffneter Mann in den Raum und richtet ein schreckliches Blutbad an. Elisabeth stirbt, Veronika überlebt völlig traumatisiert. Als sie Tage später das Krankenhaus verläßt, wird sie von dem jungen Journalisten Daniel Hummel mit schockierenden Details über Elisabeth konfrontiert. Wer war ihre Freundin wirklich? War sie der Grund für den Amoklauf?

Die Spur der Parasitin
Kriminalroman von Sabine Marx
Taschenbuch, 192 Seiten, € 12,90 (A)
ISBN 978-3-903092-52-5




Der Titel ist  auch  als ebook erhältlich

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Thalia


Von Sabine Marx bisher erschienen




 

Bei Auftritt Mord
978-3-902784-58-2






Sabine Marx

     

 

     

 

 
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