Tödlicher Filmriss

Das Licht im Wohnzimmer aus einer billigen Stehlampe mit einem birnenförmigen Stoffschirm war schummrig, als traute es sich nicht, die erschütternden Vorgänge heller auszuleuchten. Dennoch konnte man die abgewetzte Sitzgarnitur in einer fahlen Brotteigfarbe, den durchgetretenen, mausgrauen Teppichboden, den abgeschlagenen Wandverbau mit einem billigen Furnier in dunkler Holzoptik und den gelblich verfärbten Plafond gut erkennen.
Es roch muffig. Selbst die von Abgasen geschwängerte Luft auf der viel befahrenen zweispurigen Straße vor den beiden Holzfenstern wäre angenehmer gewesen. Doch die Fenster waren sowieso fest verschlossen. Die rauchdurchtränkten Vorhänge mit einfachem Streifenmuster, das kaum mehr als solches zu erkennen war, waren zugezogen, wodurch das fahle Mondlicht keine Möglichkeit hatte, in den Raum vorzudringen. Auf den Fensterbänken hatten einige Insekten ihre letzte Ruhestätte gefunden. Ein handtellergroßer Weberknecht kroch träge über die staubige Vorhangstange, vorbei an zahllosen Leichen seiner Artgenossen.
Ein raues Röcheln übertönte die Geräusche der vorbeirauschenden Fahrzeuge. Deren Lenker waren sicher mit anderen Problemen beschäftigt – mit familiären Zwistigkeiten, Stress am Arbeitsplatz, gesundheitlichen Einschränkungen oder einfach dem vorausfahrenden Auto, das unerwartet abbremste oder einen unnötigen Schlenker vollführte. Eine Hupe ertönte und verlor sich in der schmucklosen Raufasertapete des Wohnzimmers. An einzelnen Stellen hatte sie sich von der Wand gelöst und sich wie sprödes Pergamentpapier aufgerollt.
Das Röcheln wandelte sich zu einem verzweifelten, angestrengten Keuchen. Den Ausgangspunkt dieser Geräuschkulisse bildete ein fingerdicker, straff gespannter Hanfstrick, der leicht hin und her schwankte. Er hatte sich dem Takt der zuckenden Beine angepasst, die etwa vierzig Zentimeter über dem Fußboden baumelten, mit abgespreizten Zehen, die sich durch löchrige, schwarze Stutzen hindurch abzeichneten. Daneben lag ein umgestürzter Schemel. Auf dessen Unterseite war noch ansatzweise die bereits vergilbte Produktbeschreibung zu erkennen, die das Möbelstück mit einem nordeuropäischen Namen betitelte und genaue Angaben zu Gewicht, den Dimensionen und der Materialbeschaffenheit lieferte.
Als auf der Straße ein weiterer Autofahrer seinem Unmut mit dem Griff zur Hupe trotz der bereits fortgeschrittenen Uhrzeit Ausdruck verlieh, erstarb das verzweifelte Bemühen, Luft in die Lungen zu saugen. Das Schlottern der Beine verlangsamte sich, als würde ein Metronom zum Stillstand kommen. Mit einigen letzten, aufbäumenden Zuckungen verließ alles Leben den menschlichen Körper. Dann war es vollkommen still, als hätten sogar die Verkehrsteilnehmer in einer andächtigen Pose verharrt.
Niemand ahnte, welches Drama sich soeben abgespielt hatte und welche Ereignisse dieses erst noch heraufbeschwören sollte.
 

Die aufwändigen Planungen für den Neubau eines Großkinos vor den Toren der Stadt Linz verlangen Thomas Wolfberger bereits alles ab. Da ereilt ihn die Nachricht, dass sein  Bruder Michael ums Leben gekommen ist. Selbstmord, sagt die Polizei – und legt den Fall zu den Akten. Doch seine Schwester Mia will nicht nicht daran glauben. Sie überredet Thomas, Nachforschungen anzustellen. Nur widerwillig nimmt er sich darum an und verstrickt sich dabei immer mehr in tödliche Machenschaften.

Tödlciher Filmriss
Krimninalroman von Peter Janovksy
TB, 324 Seiten, € 12,90 (A)
ISBN 978-3-99074-158-0


Interviev mit Peter Janovsky


Tödlicher Filmriss ist auch als e-book erhältlich

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