Tote Lügner lügen nicht
Der zweite Fall für Miriam Beck
In Gedanken versunken verstaute Miriam ihr
Mobiltelefon wieder und starrte auf den vor ihr liegenden Teich, dessen
Oberfläche in der Morgensonne funkelte. In der Mitte
einer kleinen Insel stand eine knorrige, alte Weide, die ihre
biegsamen Äste bis zum Wasser beugte, und die Anzahl ihrer
schmalen hellgrünen Blätter schien sich im Wasserspiegel zu
vervielfachen. Eine Gruppe Stockenten paddelte begierig näher,
anscheinend wurden sie von Spaziergängern oft gefüttert.
Miriam hob bedauernd ihre leeren Hände. Nach einem letzten
Blick auf das stimmungsvolle Bild machte sie sich mit einem
leisen Seufzer auf den Rückweg.
Obwohl sie es vor ihrer Freundin nicht zugegeben hatte,
fühlte sie ebenfalls eine leichte Besorgnis in sich aufkeimen.
Ramona hatte recht: Ganz einfach wegzubleiben, sah Mike
– oder Michael Obradovic, wie er mit vollem Namen hieß –
nicht ähnlich. Er war bisher immer sehr rücksichtsvoll gewesen. Allerdings wusste Miriam nicht, ob diese Haltung Liebe
oder Berechnung war. Schließlich lebte er schon seit Jahren
kostenlos bei Ramona und war somit irgendwie von ihrem
guten Willen abhängig. Jedenfalls behandelte er Ramona stets
liebevoll und zärtlich, kochte für sie, wenn sie von der Arbeit
kam, und war sich nicht zu schade, im Haushalt Hand anzulegen. Mike war ein stets gut gelaunter, aber nicht besonders
erfolgreicher Musiker, der zusammen mit drei Freunden bei
diversen Hochzeiten, Sommerfesten oder Kindermaskenbällen
leichte Unterhaltungsmusik spielte. Mit den Einkünften aus
diesen Auftritten kam er so einigermaßen über die Runden.
Jedoch hatte er immer wieder verrückte Einfälle, die Ramona
oft an den Rand der Verzweiflung brachten.
Miriam kannte Ramona Goldstein schon seit der Schulzeit,
sie waren zusammen in der Zehnergasse ins Gymnasium gegangen und seit
der Zeit befreundet. Ramona war eine blonde
Krankenschwester mit barocken Körperformen und seit einigen Jahren
geschieden. Als ihr Mann sie damals ganz plötzlich
wegen einer anderen Frau verlassen hatte, war sie in eine tiefe
Depression gefallen, und Miriam hatte schon das Schlimmste
befürchtet. Durch Mike hatte Ramona wieder Freude am
Leben bekommen und sie verzieh ihm daher gerne alle seine
kleinen und auch großen Fehler. Ramona, die sich wegen
ihrer unreinen Haut und ihrer überzähligen Kilos einen
kleinen Minderwertigkeitskomplex angezüchtet hatte, hatte sich
anfangs
immer wieder gefragt, was so ein gutaussehender Mann wie
Mike ausgerechnet an ihr finden konnte. Groß, dunkelhaarig,
athletisch gebaut und charmant, war er für viele Frauen bestimmt
der Traummann schlechthin, und offensichtlich hatte er
in Ramona die richtige Frau für sich gefunden. Miriam hatte
durchaus den Eindruck, dass die Beziehung der beiden sehr
glücklich war, und sie konnte daher auch Ramonas Sorgen ein
wenig nachvollziehen. Trotzdem war sie in ihrem Innersten davon
überzeugt, dass Mike früher oder später wieder
auftauchen
und so tun würde, als wäre nichts geschehen.
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Nach
einer feuchtfröhlichen Feier bleibt Mike Obradovic verschwunden.
Seine Lebenspartnerin Ramona Goldstein bittet ihre Freundin Bezirksins
pektorin Miriam Beck um Hilfe. Obradovic war zwar Alkoholiker, aber
seit Jahren »trocken«. Was hat ihn dazu gebracht wieder zu
trinken? Immer mehr stellt sich heraus, dass Ramona in einer Traumwelt
lebte. Denn ihr liebevoller Partner war nicht der, den Ramona in ihm
gesehen hat. Obradovic war ein Lügner und Täuscher. Als seine
Leiche gefunden wird, mangelt es nicht an Verdächtigen. Und auch
Miriams Freundin Ramona gerät in Verdacht, ihren Partner
getötet zu haben.
Tote Lügner lügen nicht
Krimninalroman von Renate Taucher
TB, 227 Seiten, € 12,90 (A)
ISBN 978-3-99074-112-2
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Tote Lügner lügen nicht ist auch als
e-book erhältlich
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Thalia
Von Renate Taucher bisher erschienen
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Tod beim Haidbrunnen
978-3-99074-227-3
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Renate Taucher
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