Wiener Wind
Er bog in die Karmaschgasse ein, in der seine Wohnung lag.
Es war ein kleines, schäbiges Loch im zweiten Stock mit einem
einzigen Fenster in der Küche. Doch es war allemal besser als
an der Front, was zugegebenermaßen nicht schwer war. Hier
erblickte man doch ab und zu die Strahlen der Sonne, denn in
seiner Erinnerung regnete es während des Krieges jeden Tag.
Manchmal hörte man auch die Vögel zwitschern. Großstadtidylle, er lächelte.
Am Eingang angekommen merkte er, dass die Haustür schon
wieder kaputt war. Man hatte in diesen Zeiten nicht genügend
Geld, um sich sofort um diese Art von Schäden zu kümmern.
Viele Wohnungen schimmelten und waren unter normalen
Umständen eigentlich nicht bewohnbar, was dazu führte, dass
die Menschen gezwungen waren, ihre Ansprüche
zurückzuschrauben. Das musste man auch tun, sonst würde man
wahnsinnig werden und aus dem Beanstanden von Absurditäten
nicht mehr hinauskommen. Seufzend betrat er das Stiegenhaus.
Mit raschen Schritten eilte er die ersten Stufen hinauf. Auf
halbem Weg blieb er stehen und stutzte. Da war doch etwas!
Aus der Richtung seiner Wohnung kamen Stimmen und
Geräusche, die dort nichts zu suchen hatten. Er lebte allein,
und Besucher erwartete er keine. Und unerwarteter Besuch
war meistens ein unwillkommener. Besonders in diesen Tagen
konnte man nicht genau wissen, wer sich aller in den Straßen
herumtrieb.
In einer geduckten Haltung schlich er die ersten Stufen hinauf. Im
Krieg hatte er gelernt, sich mit großer Geschwindigkeit leise
fortzubewegen, eine der wenigen nützlichen Sachen,
die ihm mitgegeben wurde. Zwischen dem ersten und dem 18
zweiten Stock blieb er abrupt stehen. Wieder hörte er Stimmen und
jetzt konnte er auch verstehen, was sie sagten. Angestrengt lauschte er
in den dunklen Gang. Im Krieg war eine
Granate knapp neben ihm explodiert deshalb, hörte er nicht
mehr so gut wie früher.
»Hier wohnt also der Kriegsheld Emil Dvorak? Ein schäbiges
Loch. Wenn er wirklich unser Gesuchter ist, dann hätte ich mir
eine größere und komfortablere Wohnung vorgestellt.«
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Wien 1918
Der im Krieg dekorierte aber desillusionierte
Soldat Emil Dvorak kommt in ein Wien, das er
so nicht kennt. Angesichts ausgehungerter und
zitternder Gestalten, die sich um Lebensmittel
anstellen, fasst er einen Entschluss: Mit Hilfe
seines Freundes Johann und dessen Freundin
Karoline will er Lebensmitteltransporte des
Schwarzmarktkönigs Kocinzki überfallen und
die Waren an die Armen von Wien verteilen.
Doch Kocinzki sieht in Dvorak einen Konkurrenten. Ein spannendes Katz
und Maus-Spiel vor der tristen Kulisse von Wien in der Nachkriegszeit.
Wiener Wind
Historischer Krimninalroman von Simon Müllauer
TB, 175 Seiten, € 12,90 (A)
ISBN 978-3-99074-118-4
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Der Titel ist auch
als
e-book erhältlich
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Simon Müllauer
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